Das große gotische Bauwerk erhebt sich stolz über der Stadt und fordert dazu auf, es sich näher anzusehen.
Als die Stadt Hadersleben um 1150 gegründet wurde, baute man die erste Kirche genau an dieser Stelle, wo heute der Dom steht. Die Stadt wuchs nach ihrer Gründung explosionsartig und die Liebfrauenkirche – benannt nach Maria, der Mutter Jesu – war schnell zu klein geworden; dies sowohl was die Einwohnerzahl der Stadt betraf aber auch bezüglich des Ansehens Haderslebens als reiche und bedeutende Handelsstadt. Nach einem Brand begann man eine neue, größere und modernere Kirche zu bauen, zunächst als dreischiffige Kirche in Form eines lateinischen Kreuzes. Die Granitquadersteine der alten Kirche dienten als Fundament. Das Baumaterial war revolutionär und sehr teuer: Mönchsteine. Noch bevor die Kirche fertig gebaut war, wurden die Baupläne geändert. Die Kirche sollte noch größer und moderner werden. Hansestädte, in denen man Hallenkirchen baute – mehrschiffige Kirchen mit gleich hohem Gewölbe – inspirierten. Aber auch diese Pläne wurden geändert. Die politischen Spannungen zwischen den Herzögen und Bischöfen in Schleswig auf der einen Seite und dem dänischen König auf der anderen Seite führten dazu, dass Erik von Pommern befahl, die „Liebfrauenkirche“ zu einer hochgotischen Kathedralkirche ausbauen zu lassen – als eine Demonstration der Macht des Königs über das Herzogtum Schleswig und eine bewusste Provokation. Hadersleben sollte als kulturelles und geistiges Zentrum in Konkurrenz zur Stadt Schleswig ausgebaut werden. Im Volksmund wurde die Liebfrauenkirche in Hadersleben schnell „Domkirche“ genannt, wobei sie diesen Status tatsächlich erst nach der Wiedervereinigung im Jahre 1923 erhielt. Auf dem Kupferstich der Stadt von Hogenberg und Braun aus dem Jahr 1585 steht über der Kirche „Ecclesia Cathedralis“ geschrieben; das heisst „Domkirche“. Die Liebfrauenkirche hatte doch nur den Status einer Kollegiatskirche zur Domkirche in Schleswig, aber war somit eine Kirche, die u.a. das Recht hatte Priester auszubilden. Somit bekam Hadersleben eine Priesterschule, wo die Ausbildung auf Dänisch vor sich ging, wohingegen in Schleswig in Deutsch unterrichtet wurde – dies bereits vor der Reformation!
Die Liebfrauenkirche wurde die Wiege der Reformation in Dänemark. Herzog Christian (der spätere König Christian III) war Lehnsherr von Hadersleben und Tørning. Nachdem Christian als junger Mann im Jahre 1521 Luther auf dem Reichstag zu Worms erlebt hatte, wurde er zu einem begeisterten Lutheraner. Daher wurde bereits im Jahre 1526 in Hadersleben die Reformation durchgeführt. Als Christian König von Dänemark wurde, führte er die Reformation überall ein: Pastoren aus dem ganzen Reich wurden nach Hadersleben und zur Liebfrauenkirche gesandt, um sie hier zum lutherischen Glauben und zur lutherischen Liturgie aus- und weiterzubilden. Hadersleben war das Wittenberg des Nordens. Die Reformation führte zu viel Unruhe. In Deutschland brach 1618 der 30-jährige Krieg aus. Im Jahr 1627 mischte sich Christian IV in den Krieg ein. Das dänische Heer erlitt in Norddeutschland eine große Niederlage und katholische Truppen rückten in Jütland ein. Viele Städte brannten, auch Hadersleben.
Die Kirche erlitt großen Schaden: das Dach brach zusammen und die Liebfrauenkirche verlor im Brand ihren Turm. Seitdem wurde und wird der provisorische Eingang, der nach dem Brand gebaut wurde, als Zugang zur Kirche genutzt.
Das Innere der Kirche ist von der gotischen Architektur geprägt, die mit ihren Spitzbögen den Blick der Besucher nach oben zum zweithöchsten Kirchengewölbe Dänemarks – und symbolisch gesehen zum Himmel und zu Gott – zieht. Hier, im weiß gekalkten Kirchenraum, kann man Ruhe und Kraft gewinnen für den weiteren Pilgerweg.